TEL AVIV – SCARS ON THE ROCKS

Scars on the Rocks, 2012 in der Hezi Cohen Gallery in Tel Aviv ausgestellt, ist das Resultat der Recherchearbeiten, die Golinski während eines zweimonatigen Aufenthalts in Israel 2011 betrieb. Scars on the Rocks basiert auf dem revolutionären Vorhaben des Architekten Louis Kahn aus dem Jahre 1968, der sich für den Wiederaufbau der zerstörten Hurva Synagoge in der Jerusalemer Altstadt engagierte, was jedoch nicht umgesetzt wurde. Der konzeptionelle Aspekt der Arbeit Golinskis wird besonders in dem Umstand deutlich, dass sie die Rückkehr zu etwas (Kahns gescheitertem Vorschlag) war, was nie umgesetzt wurde; eine paradoxe Wiederholung von etwas, das nie existiert hat. Kahns Entwurf wurde von Golinski wiederbelebt, der ihn als Leitfaden für das Errichten eines offenen, skulptural-architektonischen Arrangements, einer Mischung aus einem vergrößerten Modell, einer modularen Struktur und einer allumfassenden Umgebung nutzte; inspiriert wurde er von römischen Tempelruinen und ägyptischen Mastabas, die gleichzeitig Erinnerungen an den Aufstieg in den Himmel und an Beschwörungen des Geisterreiches wachrufen.

 

 

 

Golinski war fasziniert von Kahns Vision, die Ruinen der Synagoge sichtbar zu lassen und ein Gebäude um sie herum zu errichten, das sie nicht verdecken würde. Kahn wollte die Ruinen erhalten, anstatt sie zu einem verrückten Spektakel der Restaurationskunst verkommen zu lassen. Somit belebte Golinski ein Vorhaben wieder, dessen Hauptanliegen es war, die Ruinen unangetastet zu lassen und somit ihren Missbrauch zu verhindern. Er belebte eine Vision der historischen Zerstörung und des Zerfalles wieder, die nicht missbraucht werden kann. Die daraus resultierende eigenständige, auf Erfahrung beruhende Installation zeigt das ungelöste Bild einer bruchstückhaften Vergangenheit, bar jeder Illusion, sie überwinden zu können. Die wiederbelebten Ruinen — eine Arena aus verstreut liegenden Steinen — wurden von einem Kreis aus dünnen, leicht geneigten modularen Trennelementen aus Edelstahl umgeben. Die Lücken zwischen den jeweiligen Trennelementen dienten als Zugänge in die steinige Arena. Dieses vielschichtige Resultat  — heidnisch wie auch monotheistisch, verlassen wie auch funktionsfähig, rituell wie auch ästhetisch — verwandelte eine Vision zu konservierender Zerstörung in ein Werk negativer Kreation.

Ory Dessau