ZÜRICH – NARBE UM NARBE

AUSZUG AUS EINEM INTERVIEW MIT SABINE SCHASCHL

 

SSCH: Beim Betrachten Deiner Arbeiten entsteht schnell der Eindruck, dass wir mit etwas Düsterem konfrontiert werden. Nimmt man beispielsweise das schwarz gestrichene, von oben beleuchtete Kinderbett, auf das ein kleiner, offener Türspalt unsere Blicke leitet, entstehen schnell Assoziationen zu Mordfällen oder Filmen, in denen der Teufel bereits als Kind sein Unheil trieb. Woher kommen diese Bilder und Bildsequenzen, die das Unheimliche heraufbeschwören?

AG: Viele meiner Arbeiten befassen sich mit wahren Geschichten. Oftmals werden diese von uns und der Gesellschaft verdrängt oder vergessen, denn wir halten uns alle indirekt für untätig oder gar schuldig. Z.B. handelt das Bild der Arbeit mit dem schwarzen Kinderbett von einer wahren Geschichte in Bologna. Adriano Prosperi hat eben diese Geschichte in seinem Buch „Die Gabe der Seele“ thematisiert. Darin geht es um eine wahre Geschichte, welche sich 1709 in Bologna abspielte…1

SSCH: Manche Deiner Rauminstallationen bestehen aus schwarzem Eisen, schwarzem Holz oder schwarzer Seide, die jedes Mal mit einer spezifischen Lichtquelle dramatisch aufgeladen werden. Irgendwie haftet den Installationen etwas Theatralisches an – hast Du bestimmte
Bezüge zum Theater?

AG: Meine Verbindung zum Theater gründet eher auf geschriebenen Texten und weniger auf inszenierten Stücken. Für mich sind natürlich Texte wie von Heiner Müller oder Sarah Kane ausserodentlich wichtig. Obwohl ich nie inszenierte Stücke gesehen habe, bin ich dennoch von der Sprache beeinflusst; wie geschriebene Texte umgesetzt werden können und auch in meine eigene visuelle Vorstellungskraft eindringen, stimmt mich mehr als zufrieden…

SSCH: Inwiefern spielen kunsthistorische Referenzen eine Rolle? Ich denke beispielsweise an die russische Avantgarde, an das Schwarze Quadrat von Malewitsch, das einerseits einen möglichen Nullpunkt an Reduktion repräsentieren kann, aber auch durch seine Gegenstandslosigkeit viel Raum für Metaphysisches und wenn man will Übersinnliches zulässt.

AG: Oft sagen mir andere Leute was sie kunsthistorisch an Referenzen in meinen Arbeiten sehen. Lange Jahre habe ich z.B. Eingriffe in Räumen von enormem Ausmass vorgenommen. Ich war etwa 14-18 Jahre alt, ich wusste nicht, dass ich vielleicht Kunst machte, denn es gab niemanden in meinem Umfeld, der sich damit auskannte. Ich habe in alten Essener Fabriken riesenhafte Eingriffe vorgenommen und hatte dennoch nie zuvor von Gordon Matta Clark gehört…

Heute dagegen kenne ich viel, aber bin wenig davon beeinflusst…

SSCH: Nicht alle Arbeiten tragen Titel, aber wenn es welche gibt, dann zeichnen auch sie ein düsteres Bild: „It was a long way down“ oder „Lost Dreams“. Irre ich mich, oder spricht da auch viel Melancholie und Sehnsucht aus ihnen?

AG: Das stimmt schon, viele meiner Arbeiten, insbesondere die sehr grossen Installationen, haben meistens eine besondere Recherche hinter sich, wie z.B. „Lost Dreams (Hochpacker)“. Drei Monate lang habe ich als Hochpacker in der Druckerei einer der grössten Tageszeitungen gearbeitet – täglich von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens. Niemand wusste, dass ich dabei in Sachen Kunst unterwegs bin. Man dachte sich eher: „Da ist einer wie wir, der seine Träume aufgeben muss und jetzt hier ist, so wie wir…“

Durch eine derartige körperliche wie psychologische Recherche bekommt man ganz andere Relationen, Melancholie erhält eine besondere Bedeutung. Auch meine eigenen Erfahrungen diesbezüglich setzen leider schon von sehr früh an und sind nicht
gerade die schönsten. Dies verdeutlicht auch der Titel meiner Ausstellung in Zürich „Narbe um Narbe“: Narben sind auch Erinnerungen, meistens keine schönen…

SSCH: In einer Deiner jüngsten Arbeiten – „Untitled (Ruhrtal)“ zeigst Du eine Reihe von Fotografien in einer Art Vitrine. Ich könnte mir vorstellen, dass Dich das Ruhrtal v.a. wegen seiner Kohlenabbau-Vergangenheit besonders fasziniert. Die Bilder in der Vitrine bezeugen jedoch nicht den schwarzen Kohlestaub, sondern zeigen v.a. architektonische Details, die ich mit Härte und Gewalt in Verbindung bringe.

AG: Ich habe verschiedene Arbeiten über diese Brücke gemacht, da diese Brücke, da diese Architektur, als eine Art Gefängnis funktioniert. Ich bin sehr interessiert an Architektur als Gefängnis. Diese Brücke ist wurde berühmt aufgrund der vielen Selbstmorde, die dort stattfanden. Doch vor vielen Jahren wurde dort auch ein Mädchen entführt und in den Hohlkasten der Brücke eingeschlossen. Die Entführer dachten, das 11-jährige Mädchen wäre eine Millionärstochter, doch sie war Tochter eines Hausmeisters. Als die Entführer diese Tatsache erkannten, wollten sie das Mädchen in dem Hohlkasten sterben lassen…

Dieser Hohlkasten ist ein riesiger Stahlraum, sieben Meter breit, vier Meter hoch und 1800 Meter lang…
Von diesem Hohlkasten beeinflusst habe ich die Vitrine „Untitled (Ruhrtal)“ gemacht; in dieser sind verschiedene Bilder der Brücke, gleichzeitig gehört auch ein Sound dazu, der unter der Brücke aufgenommen wurde. Dieser Sound bringt durch seine Vibration die Glasscheibe der Vitrine zum wackeln.

 


 

!“»Wer war Lucia? Und warum tat sie, was sie tat? Wer hatte wie den Tod des Neugeborenen herbeigeführt?«
Bologna, 5. Dezember 1709: Lucia Cremonini bringt in den frühen Morgenstunden ein Kind zur Welt, das kurz nach der Geburt unter zunächst ungeklärten Umständen stirbt. Die Behörden beginnen zu ermitteln, der Verdacht auf Kindsmord bestätigt sich. Ein typischer Justizfall der frühen Neuzeit nimmt seinen Lauf.
Adriano Prosperi rekonstruiert anhand der originalen Prozessakten den Fall der Lucia Cremonini als das Drama einer unverheirateten jungen Frau am Rande der Gesellschaft. Aber es geht in diesem spannenden Buch nicht nur um ein individuelles Schicksal, sondern auch um die Frage, wie sich der Umgang mit dem Delikt des Kindsmordes und seine Bewertung durch Juristen, Theologen und Mediziner im Laufe der Zeit verändert haben. Denn während in der Antike Kindstötung und Abtreibung als Instrument zur Bevölkerungsregulierung akzeptiert waren und noch im Mittelalter als lässliche Sünde behandelt wurden, kam es im 17. Jahrhundert zu einem Einstellungswandel, der bis heute fortwirkt. Von nun an, so Prosperi, geriet die Furcht vor dem Kindsmord zur Obsession. Abtreibung und Kindstötung wurden zunehmend genauer definiert und das ungeborene und neugeborene Leben zu einer Sache staatlicher Kontrolle.

In: Adriano Prosperi: Die Gabe der Seele. Geschichte eines Kindsmordes. 2007.

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